Seit der Saison 2019 hat Giant die Orientierung in der Modellpalette vereinfacht: Die Serien, sprich Einsatzbereiche, tragen stets dieselben Namen – ob mit oder ohne Motor. Das Trance E+ 1 Pro ist ein hochwertiges Fullsuspension E-MTB mit einem 140-Millimeter-Fahrwerk. Die FOX Performance 36 Float Gabel bietet mit 150 Millimetern Federweg sogar noch etwas mehr Reserven als der Hinterbau. Sehr gut, denn Reserven können im Gelände nie schaden. Schließlich eröffnet man sich mit einen E-Mountainbike neues und oft auch technisch anspruchsvolleres Gelände.

Einsatzbereich

Als Allrounder entspricht das Trance E+ 1 Pro den Anforderungen und Wünschen der meisten Mountainbiker. Denn zum Tourenfahren und Spaß auf dem Trail haben muss ein E-Fully alles können: Effizient klettern, spielerisch durch verwinkelte Trails zirkeln und dir bei hohen Geschwindigkeiten stets die nötige Sicherheit und Kontrolle geben. Der Einsatzbereich des Trance E+ 1 Pro reicht von sportlichen Cross Country Rides bis hin zur seriösen Alpenüberquerung. Für Kraft und Ausdauer sorgen der leistungsfähige Yamaha SyncDrive Motor und ein integrierter Akku mit 500 Wattstunden Kapazität.

Die Eckdaten

  • AluxX SL Aluminiumrahmen mit Maestro Hinterbau (140 mm)
  • Fox Performance 36 Float EVOL Gabel (150 mm)
  • Fox Performance Float DPS Dämpfer
  • Sram GX Eagle 1×12 Schaltung
  • Sram Code R Hydraulik-Scheibenbremsen
  • GIANT Contact Switch-Remote Vario-Stütze
  • 27,5 Zoll Laufräder mit Plus Bereifung
  • GIANT SyncDrive Pro Motor, powered by Yamaha
  • 500 Wh Akku vollintegriert

Geometrie und erster Eindruck

Dank des perfekt integrierten Antriebs wirkt das Trance E+ 1 Pro für ein E-Fully recht schlank und elegant. Steigt man übers Oberrohr in den Stand, fallen die große Schrittfreiheit und der breite Lenker auf. Warum, bemerkt man bei der Justierung der Sattelhöhe: Die Testgröße L ist für (m)eine Innenbeinlänge von 86 cm (Körpergröße 186 cm) gerade noch akzeptabel. Als Kunde würde ich zum Vergleich auf jeden Fall noch ein Modell in Größe XL ausprobieren. Dennoch: Aufgrund des recht kurzen Steuerrohrs – und damit tief liegenden Cockpit – nimmt der Fahrer auf dem Trance E+ 1 Pro eine tendenziell sportliche Sitzposition ein. Alles in allem wirken Rahmen und Ausstattung stimmig und wertig.

Setup Fahrwerk

Ich fahre als Tourenfahrer seit vielen Jahren ausschließlich vollgefederte Mountainbikes, meist mit zwischen 140 und 160 Millimeter Federweg. Daher steht für mich bereits vor der ersten Ausfahrt fest, dass die 140 bzw. 150 Millimeter am Trance E+ 1 Pro keinesfalls überdimensioniert sind. Für meinen Geschmack ideal für ein Touren- und Trailbike. Mit Hilfe einer Dämpferpumpe sind die FOX Federgabel und der FOX Hinterbaudämpfer im Handumdrehen mit dem korrekten Druck befüllt. Der so genannte SAG, also der Wert um den das Fahrwerk bereits beim Aufsitzen einsinkt, ist dank der an den Standrohren (Gabel) und am Dämpferkolben aufgedruckten Skalen einfach zu ermitteln. Schon auf der Probefahrt spürt man, dass das Fahrwerk des Giant Trance E+ 1 Pro sehr sensibel funktioniert.

Eine ausführliche Anleitung zum Abstimmen des Fahrwerks findest du in unserem Magazin-Beitrag „Fahrwerk Setup“ (-> verlinken zum Magazin Beitrag „Fahrwerk Setup“)

Setup Antrieb

Muss man vor der ersten Ausfahrt am Motor etwas einstellen? Nein. Die Grundeinstellung der Unterstützungsstufen ist für den Anfang völlig in Ordnung. Aber man kann die Stärke der fünf Modi mit Hilfe einer App individuell auf seine Wünsche hin anpassen. In einem bestimmten Leistungsbereich. Aber dazu später mehr.

Wer bereits Erfahrung mit E-Bikes hat wird sich vielleicht darüber wundern, dass es am Trance E+ 1 Pro kein Display mit Bildschirm in der Mitte des Cockpits gibt, sondern lediglich ein geradezu winziges Bedienteil am linken Lenkergriff. Es besitzt je einen Aufwärts- und Abwärts-Taster für die Motor-Modi, einen seitlichen Taster für die Schiebehilfe, einen Ein-Aus-Schalter (Hauptschalter) sowie einen Taster für (optionale) Beleuchtung. Dazu kommen zwei 5-stellige LED-Reihen: Eine zeigt den aktiven Unterstützungsmodus und eine zeigt den Akku-Ladestand. Die komplette Oberfläche ist gummiert für optimalen Grip und als Schutz gegen Spritzwasser.

Laut Aussage von Giant ist das spartanische Bedienteil bewusst gewählt worden, um nicht vom Wesentlichen abzulenken – nämlich dem Fahrspaß auf dem Trail! Und damit haben die Entwickler gar nicht so unrecht! Mehr braucht man im Gelände nämlich nicht. Und wer zum Beispiel den Akku Ladestand ganz genau wissen will, schaut zwischendurch mal auf sein Smartphone. Wermutstropfen: Über die Rest-Reichweite informiert ebenfalls nur die App. Nach einigen Touren muss ich jedoch sagen, dass man für die Reichweite mit der Zeit ein ganz gutes Gefühl entwickelt. Tipp: Einen einfachen Bike-Computer montieren, der die nötigsten Tripdaten wie Fahrzeit und Distanz anzeigt.

Giant Ride Control App

Die Ride Control App kann man sich für iPhone und Android im jeweiligen App Store kostenlos herunterladen. Nach dem üblichen Anmelde-Prozedere (erster Start der App) kann man sich problemlos über Bluetooth mit dem Bike verbinden.

Neben der erwähnten Möglicheit, die Unterstützungsstufen fein zu justieren, kann man mit Hilfe der App navigieren, sein Training steuern, Ladestand und Reichweite checken sowie die Motor Funktionen checken. Bei intensiver Nutzung der Funktionen, insbesondere der Navigation, macht es jedoch Sinn, das Smartphone mittels einer entsprechenden Halterung am Lenker zu befestigen. Je nach Wertigkeit des Geräts ist die ruppige Outdoor-Nutzung des Smartphones aber sicher nicht jedermanns Sache. Wer lediglich hin und wieder Akkustand oder Reichweite checken möchte, lässt das Smartphone wahrscheinlich lieber im Rucksack.

Das Giant Trance E+ 1 auf dem Trail

Man kann es nicht verleugnen: Wenn man dieses E-Fully mit seinen gut 24 Kilo Gewicht das erst Mal im Stand anhebt, mag man einen Schreck bekommen. Denn vollgefederte E-Bikes sind definitiv (noch) ziemlich schwer. Punkt.

Aber: Sobald man mit aktiviertem Motor losfährt, und sei es nur im niedrigsten Eco-Modus, ist davon kaum mehr etwas zu spüren. Der Yamaha Motor schaltet sich ohne jedes Rucken in den Antrieb ein, nur am surrenden Geräusch hört man seine Arbeit. Die Unauffälligkeit gilt auch beim Fade-Out des Motors über 25 km/h. Nur macht sich dann das Gewicht des Bikes schnell wieder bemerkbar, auch wenn der Motor keinerlei inneren Widerstand entgegen setzt.

In der Ebene reicht einem sportlichen Fahrer also der Eco-Modus in der Regel aus, um zügig voran zu kommen. Und wenn nötig, zum Beispiel an einer Geländewelle, schaltet man kurzzeitig eine oder zwei Stufen höher und verpasst dem Bike einen kurzen Boost. Auf diese Weise lässt sich das Trance E+ 1 Pro erstaunlich agil über kurvige Trails dirigieren. Klar merkt man im direkten Vergleich zu einem Non-E-Bike das höhere Gewicht, aber der harmonische Yamaha Motor macht vieles wieder wett.

Klettereigenschaften

Beim Bergauffahren ist der Motor unverzichtbar. Bereits im Eco-Modus (100%) kommen sportliche Fahrer gut voran. Die Unterstützung im Eco-Modus reicht aus, um das Gewicht des Trance E+ 1 Pro zu kompensieren. Durchschnittlich trainierte Fahrer werden des öfteren den Basic-Modus benötigen, der 150% Unterstützung beisteuert. Unser Tipp: Wer Strom sparen will, sollte an einer Steigung zuerst in einen kleineren Gang schalten, bevor die Unterstützungsstufe erhöht wird. Man entwickelt schnell ein Gefühl dafür, wann der Motor im optimalen Drehzahlbereich arbeitet. Mit Hilfe eines gleichmäßigen, runden Tritts bei einer hohen Tretfrequenz lassen sich Reichweite und Reichhöhe eines E-Bikes deutlich erhöhen. Tipp für sportliche Fahrer: Wer den „Trainingsfaktor“ auf seinen Touren erhöhen möchte, kann mit Hilfe der Ride Control App die prozentuale Unterstützung der Modi verringern. Zum Beispiel um 25 Prozent. Das erhöht ebenfalls Reichweite und Reichhöhe.

In den hohen Unterstützungsstufen „Sport“ und „Power“ geht dagegen die Post ab. Jetzt schiebt der Yamaha Motor mit seinen 80 Newtonmetern Drehmoment vehement nach vorne. Nahezu unglaubliche Steigungsprozente sind plötzlich fahrbar. Aber Vorsicht: Auf engen Trails bergauf muss man förmlich aufpassen, dass der Gaul nicht mit einem durchgeht! Das kann passieren, wenn man den Druck bei einer Unsicherheit nicht schnell genug vom Pedal nimmt

Der preisgekrönte Maestro-Hinterbau, eine Entwicklung von Giant, arbeitet beim Klettern unauffällig und effizient. Unser Tipp: Den Dämpfer am 3-Positionen-Schalter auf „Firm“ (hart) stellen, die Gabel jedoch lediglich auf der mittleren Stufe etwas straffer machen. Dann klettert das Trance vehement und flüssig den Berg hinauf. Die fetten Reifen liefern Grip ohne Ende. Wenn die Steigungsprozente variieren, findet man unter den 12 Gängen am Hinterrad stets eine passende Übersetzung

Wer an besonders unwegsamen oder steilen Passagen absteigen muss, kommt mit der Schiebehilfe weiter (Taster an der Seite des Bedienteils). Beim Drücken schiebt der Motor das E-Bike in Zeitlupe nach vorne. Dennoch: Beim Schieben ist das hohe Gewicht des Trance deutlich spürbar. Manchmal sogar eine Last. Zumal bei feuchtem Untergrund das Hinterrad wenig Grip hat und gerne wegrutscht.

Deshalb: Am besten aufsitzen und fahren, sobald es der Weg zulässt. Beim Fahren ist das Handling des Trance E+ 1 Pro problemlos und fast schon spielerisch. Wenn du an einem steilen Weg anfahren musst, wirst du die Vario-Sattelstütze zu schätzen lernen: Aufsitzen in der tiefsten Position, einen Fuß am Boden, einen aufs Pedal bei waagerechter Kurbel. Jetzt Druck geben und losfahren. Sobald die Fahrt stabil ist das Gesäß anheben und die Vario-Stütze mit einem Druck auf den Lenkerhebel hochfahren.

Spaß auf der Abfahrt

Bevor es los geht darf man nicht vergessen, die blauen Hebel an Gabel und Dämpfer in die Stellung „Open“ zu bringen. Damit spricht das Fahrwerk sensibel an und es steht der volle Federweg zur Verfügung. Man spürt sofort: Bergab ist das Trance E+ in seinem Element. Dank des tiefen Schwerpunktes liegt das Fahrwerk unglaublich satt auf dem Trail. Bockige Wurzelpassagen werden einfach glatt gebügelt. Einmal mehr spielen die fetten Reifen ihren Komfort-Bonus aus. Der breite Lenker lässt dich stets die volle Kontrolle über die gewählte Fahrlinie behalten. Und wenns knifflig wird kannst du mit einem Hebeldruck die Sattelstütze versenken. Die Bremsen beißen energisch zu, es kommt nie Zweifel daran auf, rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Einziger Kritikpunkt auf steilen Bergab-Passagen bleibt die etwas niedrige Front, geschuldet dem kurzen Steuerrohr des Rahmens.

Ausdauer Test und Akku Handling

Wie weit und wie hoch kommt man denn nun mit dem Giant Trance E+ 1 Pro? Eine wichtige Frage, nicht nur für Tourenfahrer. Bei der Reichweite eines E-Bikes spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Angefangen von der Nutzungsintensität der verschiedenen Unterstützungsstufen, bis hin zu Körpergewicht und Fahrstil des Fahrers. Da also eine exakte und pauschale Aussage in diesem Punkt unmöglich ist, soll die Auswertung einer unserer Testtouren als Beispiel dienen.

Verwendet wurden die Standard-Einstellungen der Unterstützungs-Modi: Eco 100%, Basic 150%, Active 200%, Sport 300%, Power 350%. Das Fahrergewicht betrug 85 Kilo. Der 500 Wh Akku war zum Tourstart voll geladen. Tourdaten: Distanz 48 Kilometer, 1100 Höhenmeter. Nutzungs-Intensität (Zeit/Dauer) der Modi unterwegs: Eco 80%, Basic 10%,  andere Modi 10%. Akku-Endstand: Zwei von Fünf Punkten, was einer Rest-Kapazität von etwa 30 bis 40 Prozent entspricht. Das heißt, die Reserven sollten rein rechnerisch für weitere 25 Kilometer und 450 Höhenmeter reichen.

Der 500 Wattstunden Akku liegt perfekt geschützt im Unterrohr. Zum Laden kann man ihn entnehmen, muss es aber nicht. Eine Ladebuchse befindet sich auch auf der linken Seite des Rahmens, oberhalb des Motors. Gegen Diebstahl ist der Akku mit einem Schloss gesichert. Den Schlüssel benötigt man auf jeden Fall, um den Akku zu entnehmen. Zum Beispiel beim Transport des Bikes auf dem Autoträger.


FAZIT

Die Touren mit dem Giant Trance E+ 1 Pro haben extrem viel Spaß gemacht. Seit Entwicklung des Maestro-Hinterbausystems spielt Giant bei den Fullys zu Recht in der ersten Liga. Übertragen auf die Fullys mit E-Antrieb ist das nicht anders. In Verbindung mit der 27.5-Zoll-Plus-Bereifung bietet das Trance E+ 1 Pro Fahrkomfort und Traktion ohne Ende. Der Yamaha Motor hängt kraftvoll am Gas und schiebt auf Wunsch mächtig an. Wer auf den Energiehaushalt des Antriebs achtet, kann mittlere bis lange Tagestouren absolvieren. Die hochwertige Ausstattung inklusive serienmäßiger Vario-Sattelstütze lässt nichts zu wünschen übrig. Mission erfüllt!