Den Riemenantrieb als Alternative zur Kette gibt es bereits seit den Siebziger Jahren. Zumindest das Patent dazu. Denn in der Praxis startet diese Antriebsvariante erst seit gefühlt wenigen Jahren so richtig durch. Das heißt, viele renommierte Fahrradmarken haben heute ein oder mehrere Modelle mit Riemenantrieb im Programm. Die lange Zeit der Etablierung hat ihre Gründe, denn die auf den ersten Blick simple Technik hat auch ihre Tücken. Produziert werden Riemenantriebe mittlerweile ausschließlich vom US-Hersteller Gates.

Das Riemen-Prinzip

Statt einer Kette verläuft zwischen Kurbel und Hinterrad ein Zahnriemen, funktional vergleichbar mit einem Keilriemen beim Automotor. Wobei das Auto-Vorbild jedoch keine Zahnung besitzt. Korrekterweise werden die Zahnräder, also Kettenblatt und Ritzel, beim Riemenantrieb als Riemenscheiben bezeichnet. Der Riemen besteht unter anderem aus ummantelten Carbonfasern und ist im Gegensatz zur Kette deutlich resistenter gegen Längung. Das heißt, selbst unter hoher Zugbelastung dehnt er sich so gut wie gar nicht. Weder kurzzeitig, zum Beispiel bei einem scharfen Antritt, noch auf Dauer.

Für einen sicheren Lauf und Sitz auf den Scheiben gibt es zwei verschiedene Systeme auf dem Markt. Beim ursprünglichen (älteren) CDC-System besitzen die Riemenscheiben auf einer oder auf beiden Seiten Schutzringe. Sie haben eine ähnliche Funktion wie Kettenschutzringe bei einem herkömmlichen Kettenantrieb, verhindern also ein Abspringen des Riemens.

Beim moderneren CDX-System besitzt der Riemen innen eine Längs-Schlitzung in der Mitte der (zweiteiligen) Zähne. Zwischen den Zähnen der Riemenscheiben verläuft ein Grat, der in diese Nut greift und damit den Riemen auf Spur hält. Das CDX-System ist unempfindlicher gegen eine zu niedrige Riemenspannung.

Dennoch verträgt ein Riemenantrieb so gut wie keinen Schräglauf. Das heißt die Riemenscheiben sollten zu 100 Prozent in der Flucht stehen. Genau in diesem Punkt besteht die Herausforderung für die Entwickler. Ein Riemenantrieb erfordert einen extrem präzise gefertigten Rahmen und Bauteile. Das gesamte System muss sehr steif sein, damit es sich bei der Krafteinwirkung durch den pedalierenden Fahrer nicht verwindet.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Rahmen am hinteren Ausfallende eine verschließbare Öffnung benötigt, damit man den Riemen auflegen bzw. austauschen kann. Denn anders als eine Kette ist ein Riemen immer einteilig und in sich geschlossen. An dieser heiklen Stelle am Rahmen ist ebenfalls eine hohe Präzision bei der Fertigung erforderlich. Tipp: Den Austausch des Riemens sollte man lieber einer Fachwerkstatt überlassen.

Riemenantrieb: Vorteile & Nachteile im Überblick

Vorteil:

  • Fast lautloser Lauf
  • Leichtes Material
  • Sehr geringer Verschleiß
  •  Bauteile verschmutzen kaum
  •  Wartungsarm (aber NICHT wartungsfrei!)
  •  Direkte Kraftübertragung

Nachteil:

  • Ausschließlich mit Naben- und Getriebeschaltungen nutzbar
  • Aufwändige Rahmenkonstruktion
  • Etwas höherer Preis beim Bike-Kauf
  • Geringe aber messbare Reibungsverluste

Ist ein Bike mit Riemenantrieb für dich die richtige Wahl?

Theoretisch könnte man jeden Fahrrad-Typ, der einen starren Hinterbau besitzt, für einen Riemenantrieb konstruieren. Am häufigsten findet man den Riemenantrieb jedoch an Urban-, Trekking- und Reiserädern. Ziemlich selten an Hardtail Mountainbikes und vereinzelt an Kinderrädern. Das mag daran liegen, dass man mit einem Riemenantrieb an eine Nabenschaltung oder ein Schaltgetriebe gebunden ist. Und diese Art der Schaltung vornehmlich in den genannten Einsatzbereichen ihre Stärken ausspielt. Man kann also durchaus sagen, dass schnelle City- und Trekkingbikes die Kernkompetenz des Riemenantriebs darstellen. Pendler freuen sich beispielsweise über die geringe Verschmutzungsgefahr der Kleidung. Und der Lifestyle von Fahrradkurieren ist ebenfalls recht angesagt. An E-Bikes hat sich der Riemenantrieb bislang kaum etabliert.

Wartung und Pflege

Auch an einem Riemenantrieb wird sich im täglichen Betrieb Schmutz ansammeln. Zwar weniger als im Vergleich zu einer mit Schmierstoff behandelten Kette. Dennoch kann der Schmutz im Extremfall die Zähne an Riemen und Scheiben verstopfen. Folge: Die Spannung des Riemens erhöht sich und damit Reibung und Verschleiß des Antriebs. Die Reinigung ist unkompliziert: Geringen Schmutz kann man trocken mit einer Bürste entfernen, sowohl vom Riemen als auch von den Zahnscheiben. Bei stärkerer Verschmutzung hilft Wasser und/oder ein üblicher Fahrradreiniger. Bei einem CDX-Riemen sollte man, wie das Bild zeigt, hin und wieder die Führungsrille mit einer stumpfen Klinge frei räumen.

Läuft der Riemen gerade? Wie bereits erwähnt, verträgt ein Riemenantrieb keinen Schräglauf. Bereits geringe Veränderungen der (Werks-)Einstellung wirken sich negativ auf den Verschleiß aus und erhöhen die Gefahr des Reißens. Ein regelmäßiger Kontrollblick von hinten auf die Flucht des Riemens sorgt für Klarheit. Wie man die Riemenscheiben parallel ausrichtet, hängt vom Bike-Modell ab. Beispielsweise über Spacer an der Hinterradachse, die das Rad seitlich versetzen.

Die korrekte Spannung des Riemens ist entscheidend für einen sicheren und reibungslosen Lauf. Eine zu hohe Spannung erhöht Verschleiß und Tretwiderstand unnötig. Ist der Riemen zu lasch gespannt, riskiert man einen Abwurf. Check: Die Spannung ist in Ordnung, wenn sich der Riemen oben mit normaler Handkraft um etwa einen Zentimeter nach unten drücken lässt.

Die Spannung des Riemens wird in vielen Fällen über einen Exzenter am Tretlager eingestellt. Das Tretlager selbst sitzt dabei außermittig in einer größeren Trommel. Dreht man diese Trommel im Rahmen, bewegt sich die Kurbelgarnitur in kleinsten Schritten vor und zurück. Bei anderen Bikemodellen lässt sich hingegen die Aufnahme des Hinterrades horizontal verschieben (Abbildung unten). Die Schwierigkeit beim Einstellen ist hier, die beiden unabhängigen Achs-Seiten absolut parallel zu justieren. Sonst steht das Hinterrad nicht mittig im Hinterbau und der Riemen läuft schräg auf die Zahnscheibe auf. Check: Bei korrekter Riemenspannung lässt sich der Antrieb leicht mit der Hand kurbeln und läuft leise.

Unser Fazit

In bestimmten Einsatzbereichen ist der Riemenantrieb definitiv eine Alternative zur Kette. Man darf nur nicht erwarten, dass der Antrieb – wie vielfach behauptet wird – komplett wartungsfrei ist. Er kommt bei richtiger Behandlung dennoch einem Sorglos-Antrieb sehr nahe. Der höhere Kaufpreis eines Fahrrades mit Riemenantrieb relativiert sich über die lange Haltbarkeit des Antriebs.