Das Einstellen eines vollgefederten Fahrwerks ist für viele Biker ein Buch mit sieben Siegeln. Doch als Fully-Fahrer sollte man sich unbedingt mit dem Thema befassen! Denn nur mit perfekt abgestimmten Federelementen liefert ein Fully seine beste Performance! Wir erklären euch das Setup eines Fahrwerks mit Luft-Federgabel und Dämpfer. Hardtailfahrer orientieren sich einfach an den Tipps für die Federgabel!

Know How – So funktioniert ein vollgefedertes Fahrwerk

Um ein Fahrwerk richtig abzustimmen muss man wissen, wie es überhaupt arbeitet. Die Vorteile eines vollgefederten Mountainbikes gegenüber eines Hardtails (MTB mit starrem Rahmen und Federgabel) liegen auf der Hand: Nicht nur das Vorderrad behält stets den Kontakt zum Untergrund, sondern auch das Hinterrad! Und gerade beim angetriebenen Hinterrad ist die Traktion besonders wichtig. Denn das garantiert einen effizienteren Vortrieb.

Wer kennt nicht die Situation, wenn an steilen Anstiegen mit losem Boden das Hinterrad wegrutscht oder sogar durchdreht. Bergab sorgt ein Fully für weitere positive Effekte: Das Bike gleitet förmlich über Hinternisse. Das vermittelt Sicherheit und der Fahrer kann die Linie besser halten. Forschungen haben außerdem ergeben, dass Fully-Piloten nicht so schnell ermüden, weil weniger Vibrationen am Körper ankommen.

Luftpolster als Feder

Statt einer schweren Spiralfeder aus Stahl dient bei den meisten MTB-Federgabeln und Hinterbaudämpfern eine Luftkammer als Federmedium. Diese Luft wird beim Einfedern komprimiert. Der Luftdruck ist über eine externe Pumpe veränderbar. Über den Grund-Druck wird das Federelement einmalig auf das Gewicht des Fahrers eingestellt. Dazu später.

Schlucken statt federn!

Um Schläge und Vibrationen zu dämpfen muss das Fahrwerk aber nicht nur ein- und ausfedern, sondern – viel wichtiger – die Stöße absorbieren! Die Energie muss in den Federelementen abgebaut werden. Dafür ist Öl im Inneren zuständig, das durch verschiedene Kammern zirkuliert, die über Ventile verbunden sind.

Vereinfacht ausgedrückt: Beim Einfedern öffnet sich ein Ventil und das Federelement kann ungehindert und schnell einfedern. Beim Ausfedern jedoch verengt sich das Ventil. Folge: Das zähflüssige Öl bremst diesen Vorgang ab. Andernfalls würde die Gabel oder der Hinterbaudämpfer unkontrolliert und mit fast derselben Energie zurück schlagen! Das Fahrwerk wäre nicht mehr zu beherrschen.

Zug- und Druckstufe

Diesen Bremsvorgang beim Ausfedern nennt man Zugstufe. Für das genaue Justieren der Zugstufe (Ausfedergeschwindigkeit) ist generell ein roter Einstellknopf zuständig.

Bei hochwertigen Federelementen ist zudem die Einfedergeschwindigkeit regelbar. Diese so genannte Druckstufe wird über einen blauen Einstellknopf justiert. Grundsätzlich ist aber eine regelbare Zugstufe das A und O bei Fahrwerken.

Plattformdämpfung

Mit zunehmendem Federweg – zum Beispiel an Enduro-Bikes – macht sich ein negativer Effekt bemerkbar: Das Bike wippt beim Pedalieren auf und ab. Auch bei korrekter Abstimmung! Dem wirkt an modernen Federelementen eine so genannte Plattformdämpfung entgegen.Eine Form von intelligenter Druckstufendämpfung, die das Einfedern beim Pedalieren im Zaum hält.

Deshalb ist auch dieser Regler, meist ein indexierter Schalter mit wenigen Rasterpositionen, in der Farbe blau gekennzeichnet.

Welche Werkzeuge brauche ich fürs Setup?

Hochdruckpumpe

Die in den Federelementen herrschenden Luftdrucke von 15 Bar (rund 200 Psi) sind nur mit Hilfe einer speziellen, dünnen Dämpferpumpe zu erreichen. Zur genauen Dosierung ist ein Manometer unerlässlich. Darüber hinaus verhindert ein spezieller Schraubflansch mit Schleuse einen Druckverlust beim Lösen der Pumpe vom Ventil.

Kabelbinder

Zur Feststellung der Einfedertiefe beim Abstimmvorgang. Nicht nötig bei neueren Bikes, wo sich meist bereits ein roter Gummiring auf einem Gabel-Standrohr und am Dämpferkolben befindet.

Meterstab oder Maßband

Zum Messen des Gesamtfederwegs und der Einfedertiefe.

Die Abstimmung des Fahrwerks

Schritt 1 – Gesamt-Federweg ermitteln

Unerlässlich, da die Herstellerangaben nicht immer zu 100 Prozent stimmen. Vorbereitung: Alle Dämpfungen (rote und blaue Einstellrädchen) komplett öffnen, also gegen den Uhrzeigersinn drehen. LockOut (Blockierungen) lösen! Nun mit Hilfe der angesetzten Dämpferpumpe am Ablassventil (Druckknopf an der Pumpe) den Dämpfer und die Federgabel vollständig entleeren. Dann mit Gefühl von Hand bis zum Anschlag komprimieren und wieder auseinanderziehen. Den Gesamthub messen und notieren. Dabei helfen Gummiring oder Kabelbinder. Abschließend wieder soweit aufpumpen, dass der Fahrer aufsitzen kann. Hierbei kann man sich zunächst auch an den Druck-Empfehlungen des Herstellers orientieren.

Schritt 2 – SAG einstellen

Als SAG bezeichnet man den so genannten Negativ-Federweg. Der Betrag um den die Federung einsinkt, wenn der Fahrer aufsitzt. Das Fahrwerk „schwebt“ quasi auf einem bestimmten Niveau. Den SAG ermittelt man im Stand, am besten parallel zu einer Wand, an der man sich leicht mit der Schulter abstützen kann. Und nacheinander an Gabel und Hinterbaudämpfer. Vor dem Aufsitzen schiebst du den Gummiring (oder Kabelbinder) bündig an die Dichtung. Jetzt vorsichtig aufsitzen und die normale Fahrposition im Sattel einnehmen. Dann wieder vorsichtig absteigen, ohne zu wippen. SAG anhand des verschobenen Gummirings messen. Der SAG sollte 20 bis 40 Prozent des in Schritt 1 ermittelten Gesamthubs betragen (Richtwerte: CC = 20-25%, All Mountain = 25-30%, Enduro = 25-35%, Freeride bis 40%). Vorrangig Herstellerempfehlungen beachten! Bei zu wenig oder zu viel SAG mit der Dämpferpumpe Luft zugeben oder ablassen. Stück für Stück ans beste Ergebnis herantasten.

Schritt 3 – Zugstufendämpfung einstellen

Nachdem das Fahrgestell nun auf dein Körpergewicht eingestellt ist, musst du noch die Ausfedergeschwindigkeit am eingangs beschriebenen roten Einstellknopf justieren, sprich verlangsamen. Zu Beginn ist die Zugstufe ganz offen (siehe Schritt 1). Beginne mit der Gabel: Drücke die Front des Bikes am Lenker nach unten (Gabel komprimieren). Entlaste die Front am tiefsten Punkt schlagartig und beobachte das Vorderrad am Boden. Springt es beim Ausfedern kurz hoch, musst du die Zugstufe erhöhen (Einstellrädchen ein wenig im Uhrzeigersinn drehen). Vorgang Stück für Stück wiederholen, bis das Vorderrad beim Ausfedern gerade eben am Boden bleibt. Dann das Prozedere am Hinterbau wiederholen (auf den Sattel drücken und komprimieren).

Schritt 4 – Feintuning auf dem Trail

Suche dir am besten eine kurze Testrunde mit verschiedenen Wegbeschaffenheiten (Wurzelpassage, Schotter, eine größere Stufe) und einem kurzen Anstieg. Achte beim Fahren auf folgende Punkte: Steht der Federweg bei dicht aufeinander folgenden Schlägen schnell genug wieder zur Verfügung? Zugstufe erhöhen oder verringern. Schlägt die Gabel oder der Dämpfer an der Stufe durch? Druckstufe erhöhen (falls vorhanden), oder Luftdruck erhöhen. Wippt das Fahrwerk störend beim Bergaufpedalieren? Plattformdämpfung an Gabel und/oder Dämpfer erhöhen. Arbeite stets in kleinen Schritten und probiere die neue Einstellung aus. Am Ende wird dein Fully sein volles Potenzial auf dem Trail entfalten – und dir ein Grinsen ins Gesicht zaubern!

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